Ich habe eine kleine Geschichte für euch aus meinem Alltag hier im Heim. Vor ein paar Wochen befanden wir uns in der Gesellschaft einer neue Dame. Sie kam während ich gerade in Santa Cruz war und ich wurde schon direkt darauf vorbereitet, dass sie Nerven strapazierend sei. Ich gebe zu, ich habe zwar meinen Versuch gestartet, musste jedoch auch recht zeitnah feststellen, dass meine Gedult nicht übernatürlich ist. Es ist schon sehr anstrengend, wenn man jemanden hilft, diese Person jedoch nur destruktive Kritik äußert, einen dastehen lässt als sei man einfach unfähig, dann aber nicht richtig erklärt, was man zu tun hat, sondern nur genervt „Hilf mir schon!“ von sich gibt. Nun ja und dann hat man zudem die ganze Zeit im Ohr, dass sie ja eigentlich gar nicht an diesem Ort sein möchte und bald wieder geht. Ihr könnt sehen, das ist eher nicht die süße Omi, die sich nach jedem Windelwechsel mit einem Lächeln anerkennend bedankt. Nun gut, nach ein paar kleineren Nervenzusammenbrüchen und einigen Vorträgen über einen freundlicheren und kommunikativeren Umgang mit den Helfern, hatte ich das Gefühl, ein wenig mehr ein Gespür für sie bekommen zu haben. Unsere gemeinsamen Toilettengänge und das abendliche Windelanlegen haben uns etwas zusammengeschweißt und außerdem wusste ich mittlerweile auch ohne Erklärung meist, was sie wollte (hat allerdings seine Zeit gedauert, da auch ich keine Hellseherin bin). Einige Tage lang musste ich mir tatsächlich keine Beleidigung mir gegenüber anhören (ich war erstaunt darüber, welche Schimpfwortzusammensetzungen es so gibt), sondern es war zum Teil echt lustig. Klar ich habe immer mal ihre erregte Stimme im Hintergrund gehört, aber zwischen uns lief es die meiste Zeit sehr geschmeidig. Unsere besten Momente hatten wir, wie die Überschrift schon ankündigt, auf der Toilette. Sie war nicht gern alleine dort, weshalb ich mich dann manchmal ihr gegenüber auf ihren Rollstuhl setzte und wir ein wenig gequatscht haben oder ich ihr auch mal etwas vorgesungen habe. Sehr amüsant waren unsere „Jungsgespräche“. Sie kaufte mir einfach nicht ab, dass ich keinen Schwarm, Verehrer oder Freund weder in der Stadt noch in meiner Heimat habe. Außerdem ist sie eine der Ersten, die den guten Kokosnussgeruch meines Shampoos Achtung geschenkt hat.
Nun ja, die besagte Dame hat uns nach ein paar Wochen wieder verlassen und ich gebe zu, dass wir nach ihren Anschreiaktionen alle nicht so betrübt darüber waren. Das Ding ist aber, dass wir eben auch sehr schöne Momente hatten und sie hat (meist in Kombination mit einer Entschuldigung für ihr vorheriges Verhalten) mich öfters gefragt, ob ich sie in ihrem Haus besuchen komme… Ich habe „Ja“ gesagt und wenn ich demnächst mal wieder in Santa Cruz bin, möchte ich sie ausfindig machen und mein Versprechen einhalten. Was mich dann erwartet – keine Ahnung, aber die Erfahrung hat mir auf jeden Fall gezeigt, wenn man auf der Suche nach etwas „Gutem“ ist, kann man es finden. Genau so ist es umgekehrt. Will ich etwas Schlechtes in allem finden, so kann ich es auch. Ich sage damit nicht, dass man mit jeder Person mega gut klar kommen muss und alles Sonnenschein ist, sondern nur, dass ich denke, dass unsere Beziehung zu anderen Personen viel davon abhängt wie wir ihnen begegnen bzw ihnen gegenüber eingestellt sind. Dementsprechend kann ich, wenn ich will, zB auch mit einer nörgeligen und cholerischen Omi über Jungs reden oder durch ein kleines Tänzchen die Stimmung zwischen uns heben. Ja und dann merke ich auch, dass sie nicht nur die nörgelige und cholerische Omi ist…